Eine Putzträger-Dämmplatte zusammen mit einer biegsamen Holzfaserdämmplatte
ermöglicht die Fassadendämmung mit Oberflächenausgleich
in einem Arbeitsgang.
Foto: Unger Diffurtherm
Dämmstoff-Übersicht
Mineralische und fossil basierte Dämmstoffe aus Stein- und Glaswolle sowie
Polystyrolschaum sind seit rund 40 Jahren die herkömmlichen Materialien im
Hausbau. Doch seit einiger Zeit kommen Alternativen hinzu: Immer mehr moderne
Naturfaserdämmstoffe etablieren sich am Markt, nachgefragt nicht nur von
umweltbewussten Verbrauchern, sondern auch gefördert durch die öffentliche Hand.
Dämmstoffe aus nachwachsenden und recyclierten Rohstoffen
- beispielsweise aus
Holz, Flachs und Hanf oder Zellulose - punkten beim Verbraucher mit guter
bautechnischer Qualität und einem angenehmen Wohnklima. Ihre Produktion ist in der Regel weniger energieaufwändig als die der erwähnten herkömmlichen
Dämmstoffe, die außerdem nur bedingt recyclebar sind. Naturfaserdämmstoffe
machen auf dem Markt der Dämmstoffe systematisch Boden gut und haben
überproportionale Wachstumszahlen, auch wenn ihr Anteil von gut vier Prozent
immer noch als Nische bezeichnet werden muss. So erkennt der Verband Holzfaser
Dämmstoffe e. V. (VHD) eine wachsende Zahl ökologisch interessierter Architekten,
die sich verstärkt für die Produkte seiner Mitglieder interessieren. Der
Marktanteil von Holzfaserdämmstoffen in Deutschland am Anteil aller ökologischen Dämm-Materialien liegt bei etwa 60 Prozent und derjenige von Zellulose etwa bei
30 Prozent.
Gründe für die steigende Nachfrage liegen laut VHD-Geschäftsführer Dr.-Ing.
Tobias Wiegand daran, dass bauinteressierte Menschen zunehmend für ökologische
Themen und nachhaltige Wohnkonzepte sensibilisiert seien. "Selbst Preisargumente
verlieren an Gewicht, sobald Aspekte wie Erderwärmung, Klimaschutz,
Kohlendioxid-Minderung und nicht zuletzt auch der Verbrauch von Primärenergie
bei der Dämmstoffproduktion eine handlungsleitende Rolle spielen", so Wiegand.
Dämmung der Fassade
Naturdämmstoffe werden heute für fast alle Einsatzbereiche angeboten. Bei der
Außendämmung der Gebäudehülle können Bauherren massives Mauerwerk mit
Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) aus Holzfaser- beziehungsweise Korkplatten oder
Schilfmatten dämmen. Vor allem feste Holzfaserplatten sind beliebt, fast alle
WDVS-Anbieter haben sie inzwischen alternativ zu konventionellen Dämmstoffen im
Sortiment. Oder ein Zimmermann setzt eine Holzkonstruktion vor die Fassade und
füllt diese mit losen Dämmstoffen wie Hanf, Zellulose oder Holzfasern auf. WDVS
aus Naturdämmstoffen sind wesentlich weniger anfällig für das Verschmutzen und
Veralgen, da sie langsamer auskühlen und so der Kondensatanfall aus feuchtkalter
Luft auf der Putzoberfläche geringer ist. Gerade in den Innenstädten sind
Schmutz, Algen und Flechten an konventionell gedämmten Fassaden ein häufiges
Problem, das zusätzliche und wiederkehrende Kosten verursacht.
Wärmedämmverbundsystem einmal anders – die Holzkonsolen sind Träger der neuen Fassade, hinter die der Dämmstoff eingeblasen wird.
Foto: Altbauzentrum
Geeignet im Sommer
Auf der Eigenschaft, langsamer auszukühlen, beruht auch ein anderer Vorteil
pflanzlicher Dämmstoffe, nämlich ihre ideale Eignung für den sommerlichen
Wärmeschutz, etwa beim Dachausbau. Man spricht hier auch von der hohen
spezifischen Wärmekapazität von Naturdämmstoffen, durch die das Eindringen
sommerlicher Hitze besonders lange verhindert wird. So hat Flachs eine
spezifische Wärmekapazität von 1,6 bis 1,8 kJ/kg K, Mineralwolle dagegen nur von
0,8 bis 1,0 kJ/kg K (Energieaufnahmekapazität pro Kilogramm Dämmstoff und pro
Grad Kelvin Temperaturänderung). Holzfasern und Zellulose erreichen Spitzenwerte
von teilweise über zwei kJ/kg K. In der Folge erreichen hohe Außentemperaturen
den Wohnraum so zeitverzögert, dass sie mit der abgekühlten Nachtluft
"weggelüftet" werden können. Eine detaillierte, energetische und ökonomische
Bewertung verschiedener Dämmstoffe ist in unserer Tabelle im Anschluss an diesen
Beitrag aufgeführt. Als Aufdachdämmung bieten sich feste Holzfaserdämmplatten
an, zwischen den Sparren Mattenoder Einblasdämmstoffe. Während Matten
beispielsweise aus Hanf oder Flachs sehr selbstbaufreundlich sind, werden lose
Dämmstoffe wie Zellulose-, Hanf- oder Holzfasern von Fachbetrieben in die
Konstruktion eingeblasen, wobei eine besonders hohe Fugendichtheit erreicht
wird.
Vorteil für Schwergewichte
Dass die Bewertung der verschiedenen Dämmstoffe allein aufgrund ihrer genormten
Kennzahlen nicht allen realen Bedingungen im Sommer und Winter im Haus gleich
gerecht wird, belegt eine aktuelle Untersuchung: Im Auftrag des
Holzfaser-Dämmplatten-Herstellers "Inthermo" verglich das Wilhelm-Klauditz-Institut
für Holzforschung das Dämmvermögen schwerer Holzfaserdämmplatten in der Praxis
mit ihren technischen Bemessungswerten. Sie stellten fest, dass die Platten mit
einem Gewicht von 190 Kilogramm pro Kubikmeter um acht Prozent bessere Dämmwerte
aufwiesen als die technischen Parameter eigentlich erwarten ließen. Christoph
Jost, Technik-Leiter von Inthermo, sieht sich in seiner Auffassung bestätigt,
dass ein höheres Gewicht für den Bauherrn vorteilhafter ist als ein niedriger
Lambda-Wert, der die Wärmeleitfähigkeit bezeichnet. "Denn die schweren Platten
punkten nicht nur beim Wärmeschutz, sondern bieten auch spürbare Vorteile beim
sommerlichen Hitzeschutz sowie beim Schallschutz", so Jost.
Sonderfall Innendämmung
Sogar Fachwerk-Fassaden oder denkmalgeschützte Gebäude müssen auf einen
adäquaten Wärmeschutz nicht verzichten, der innen an die Außenwand angebracht
wird. Dabei gilt es jedoch, größte Sorgfalt walten zu lassen, da sonst die
Gefahr der Tauwasserbildung besteht. Durch ihre hohe Feuchtigkeitstoleranz und
die Möglichkeit einer diffusionsoffenen Bauweise sind Naturdämmstoffe hier in
der Regel von Vorteil. Entsprechend fachgerecht eingebaut, haben sie den
Vorteil, Feuchtigkeit aufnehmen zu können, ohne dass sie ihre dämmende Wirkung
einbüßen. Für eine Innendämmung im Trockenbau kommen beispielsweise
Holzfaserdämmplatten in Frage - teilweise auch als Kombination von Holzfasern
mit eingearbeitetem Lehm. Die Anbringung der Platten auf der Innenseite der
Außenwand ist schnell und einfach. Die Platten werden mit Klebe- und
Spachtelputz vollflächig bestrichen und stoßversetzt an die Wand verklebt, ohne
dass weitere mechanische Befestigungen notwendig sind. Der Innenraumgestaltung
sind keine Grenzen gesetzt. Direkt auf die Dämmplatten kann Lehmputz oder auch
Kalk- und Mineralputz aufgetragen werden.
Um bezüglich Feuchtigkeit in den Innenräumen auf der sicheren Seite zu sein,
empfehlen Baubiologen oder Architekten nach Abklärung der Ursachen oft die rein
mineralischen Kalziumsilikat-Platten. Sie wirken mit einem pH-Wert von zehn
schimmelhemmend. Welches Material im konkreten Fall am besten geeignet ist,
sollte jedoch stets ein Fachmann im Rahmen einer Vor-Ort-Besichtigung
entscheiden.
Gesamtkonzept sinnvoll
Auch bei größeren Sanierungen, die eine verbesserte Wärmedämmung des Hauses zum
Ziel haben, ist es sinnvoll, sich vom Fachmann beraten zu lassen. Ist
beispielsweise aus optischen Gründen ein Anstrich an der Außenfassade fällig
oder bröckelt sogar der Putz, lohnt es sich, ein WDVS für die Außenfassade ins
Auge zu fassen. Einige Kosten wie der Gerüstbau fallen so oder so an, andere
können teilweise entfallen, denn oft muss dabei der alte Putz nicht abgeschlagen
werden. Der Fachverband WDVS geht davon aus, dass sich die Mehrkosten für ein
WDVS gegenüber einer herkömmlichen Fassaden-Sanierung bereits nach vier bis
sieben Jahren amortisieren. Steigende Energiepreise dürften die Zeitspanne noch
verkürzen.
Außerdem sollte dabei nicht an der Dämmstärke gespart werden. Wenn eine
wärmetechnische Verbesserung eines Bauteils wie beispielsweise die Außenfassade
in Angriff genommen wird, sollte auch das jeweils wirtschaftlich und
bautechnisch Optimale durchgeführt werden, so der Gesamtverband der
Dämmstoffindustrie (GDI). Eine spätere Nachrüstung mit einem dickeren Dämmstoff
ist regelmäßig nicht wirtschaftlich.
Unabhängige Beratung
Holzfasern, Zellulose, Flachs und Hanf sind die gängigsten einheimischen
Naturdämmstoffe. Es gibt aber auch Produkte aus Schilf, Stroh, Wiesengras und
Schafwolle. Letztere ist sogar in der Lage, Schadstoffe wie beispielsweise
Formaldehyd zu binden und teilweise auch langfristig abzubauen. Daher wird sie
von einigen Herstellern bei der Sanierung von belasteten Fertighäusern aus den
siebziger Jahren eingesetzt.
Grundsätzlich bietet das "natureplus-Siegel" eine hohe Sicherheit in Bezug
auf Gesundheits- und Umweltverträglichkeit. Es bestätigt dem Hersteller und dem
Bauherrn eine umweltgerechte Produktion des Baustoffs, die Schonung von
endlichen Ressourcen und die europaweit strengsten Grenzwerte für
gesundheitsbedenkliche Stoffe. Eine herstellerunabhängige Beratung zu
Naturdämmstoffen und anderen Naturbaustoffen bietet die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe (FNR) im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums
an. Außerdem gibt es Dämmstoffe an wechselnden Orten auch zum Anfassen: Seit dem
Sommer 2009 tourt eine Bauausstellung der FNR quer durch Deutschland, um den
Interessierten das Bauen mit nachwachsenden Bau- und Dämmstoffen näherzubringen.
Der Container-große Kubus aus Massivholz mit leichter Weidenfassade soll noch
bis 2011 unterwegs sein.
Autor: Peter Streiff
Der Artikel steht als
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zur Verfügung.
Quelle:
BUND-Jahrbuch "Ökologisch Bauen & Renovieren" 2010
, S. 86-89
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